Wer haftet für die Pleite?

Beitrag erschienen am 29. März im DerStandard von Karin Köller und Adrian Walser

Ein Rückzug in Krisenzeiten ist zwar menschlich verständlich, jedoch rechtlich komplex. Welche Folgen drohen, verraten zwei Fachleute

Das Jahr 2025 steht zwar im Zeichen eines moderaten Wirtschaftswachstums, doch die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt. Schlagzeilen über Zahlungsunfähigkeiten und Insolvenzen großer Industrieunternehmen oder ganzer Unternehmensgruppen prägen die Nachrichtenlage und werden dies wohl auch weiterhin tun.

Konzerne wie Signa, Kika/Leiner, Palmers oder KTM rücken die Verantwortung und die Pflichten von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. Während dabei in der Regel erwartet wird, dass Vorstandsmitglieder ihre Funktion auch in schwierigen Zeiten weiter ausüben und notwendige Sanierungsmaßnahmen durchführen, stellt sich die Frage: Was geschieht, wenn ein Vorstandsmitglied die Funktion niederlegen will – beispielsweise um einer persönlichen Haftung zu entgehen? 

Zunächst einmal gilt: Ab dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit oder insolvenzrechtlichen Überschuldung treffen den Vorstand erhebliche Pflichten. Gemäß der Insolvenzordnung ist er verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch binnen 60 Tagen, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Besteht innerhalb des Vorstands oder im Zusammenspiel mit dem Aufsichtsrat Uneinigkeit über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und wird dadurch ein notwendiger Insolvenzantrag blockiert, sind Vorstandsmitglieder einem massiven persönlichen Haftungsrisiko ausgesetzt.

Rechtlicher Rahmen

Das österreichische Aktiengesetz ist eindeutig, wenn es um die vorzeitige Abberufung eines Vorstandsmitglieds geht: Ein wichtiger Grund wird vorausgesetzt. Eine gesetzliche Regelung zum vorzeitigen Rücktritt von Vorstandsmitgliedern fehlt jedoch. Trotz dieser Lücke wird ein Rücktrittsrecht in der Judikatur und Literatur aber grundsätzlich anerkannt, wenngleich an strenge Voraussetzungen geknüpft. Der Grund dafür liegt im Aktiengesetz selbst: Sowohl die Dauer des Vorstandsmandates als auch des Vorstandsanstellungsvertrages hat eine befristete zu sein. Daher scheidet eine vorzeitige Beendigung ohne einen wichtigen Grund grundsätzlich aus.

Ein Rücktritt ist also nur dann gerechtfertigt, wenn das Fortführen des Mandats unzumutbar ist – etwa bei groben Pflichtverletzungen durch andere Organe gegenüber dem rücktrittswilligen Vorstandsmitglied, beispielsweise bei wiederholten Übergriffen in die Zuständigkeiten des Vorstandsmitglieds oder unüberwindbaren Konflikten. Besonders heikel wird es, wenn Vorstandsmitglieder de facto daran gehindert werden, ihre Aufgaben zu erfüllen – in der Krise gilt dies freilich doppelt, weil hier besonderes Handeln gefragt ist. Beispiele hierfür sind der verweigerte Zugang zu wichtigen Geschäftsinformationen oder gezielte Blockaden von sinnvollen und dringend notwendigen Restrukturierungen.

Ein vorzeitiger Rücktritt ist in solchen Fällen nicht nur zum Schutz der eigenen rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen notwendig. Eine Weigerung der Zusammenarbeit oder Blockadehaltung durch den Aufsichtsrat oder andere Vorstandsmitglieder darf nicht dazu führen, dass das “pflichtbewusste” Vorstandsmitglied einem unverhältnismäßigen Haftungsrisiko ausgesetzt wird.

Da das Vorstandsmitglied vertraglich gebunden ist und ein befristeter Vertrag nicht ohne wichtigen Grund vorzeitig beendet werden kann, besteht die Möglichkeit, dass ein Unternehmen Schadenersatz geltend macht. Dabei muss jedoch nachgewiesen werden, dass ein tatsächlicher Schaden entstanden ist und in welcher Höhe.

In der Praxis wird häufig vertreten, dass die Kosten für die Nachfolgeplanung, insbesondere die Beauftragung eines Headhunters, dem Vorstandsmitglied als Schadenersatz angelastet werden könnten. Weitere Schadenspositionen lassen sich oft nur schwer konkret nachweisen. Beispiele könnten finanzielle Einbußen durch eine Unterbrechung in der Geschäftsführung oder Verzögerungen bei wichtigen Projekten sein.

Schwieriges Unterfangen

Der Nachweis solcher Schäden ist jedoch in der Regel anspruchsvoll, was die Durchsetzbarkeit entsprechender Ansprüche erheblich erschwert. Das liegt unter anderem daran, dass der Aufsichtsrat grundsätzlich für eine solche personelle Besetzung zu sorgen hat, in der auch kurz- und mittelfristige Verhinderungen, zum Beispiel krankheits- oder unfallbedingt, vom restlichen Vorstand bewältigt werden können.

Ein vorzeitiger Rücktritt ist also ein komplexes Unterfangen, das rechtlich und strategisch gut vorbereitet sein muss. Umso wichtiger ist es, dass Vorstandsmitglieder alle Schritte – insbesondere bei Blocka – den durch andere Organe – umfassend dokumentieren und wenn nötig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Nur so lassen sich Haftungsrisiken minimieren. Auch in dieser Situation müssen zudem alle Organe das Wohl der Gesellschaft im Auge behalten – wenn auch Vorstandsmitglieder ihre eigenen Sorgen und Interessen nicht gänzlich hintanstellen müssen.