Erst am 24. April hatte das Europäische Parlament für die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) gestimmt, und mit der formell noch fehlenden Zustimmung des Rats ist aufgrund der im März 2024 erfolgten Einigung des COREPER für Mitte Mai zu rechnen. Weniger als 24 Stunden nachdem also klar wurde, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie tatsächlich kommen wird, eröffnete Business Circle das Legal Breakfast zum Thema „Die neue EU-Lieferkettenrichtlinie und die Auswirkungen auf die Immobilienbranche“, zu welchem E+H Partner Christoph Lejsek als Vortragender geladen war. Das Thema war von brennender Aktualität sowohl für Immobilien-, als auch für Compliance- und Nachhaltigkeitsmanagement.
Wie Mag. Lejsek eingangs betonte, hat diese Entscheidung Auswirkungen für diverse Branchen, insbesondere eben auch für die Bau- und Immobilienindustrie, und dadurch natürlich nicht nur für Anwälte, sondern auch für alle Rechtsanwender wie Legal Counsel und Compliance Officer.
Da es in Europa kaum noch Hersteller gibt, kommen Solarpaneele vermehrt aus China, seltene Metalle, wie das für Akkus so wichtige Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo, oder Stahl unter anderem aus Indien, und das größtenteils unter Rahmenbedingungen, die so in Europa kaum vorstellbar sind. Mit der EU-Lieferkettenrichtlinie wird jetzt den Unternehmen hier anvertraut, was durchaus auch eine staatliche Aufgabe vor Ort sein müsste. In Österreich gilt es für Unternehmen nicht nur als selbstverständlich, gesetzeskonform zu handeln, sondern auch ethische Standards werden nicht in Frage gestellt. Durch die neue Lieferkettenrichtlinie sind die heimischen Unternehmen jetzt auch gefordert, weitreichend nach außen zu schauen.
In der finalen Einigung kam es noch zu einigen, einschlägigen Änderungen, unter anderem wurde der Anwendungsbereich weitaus eingegrenzt, und es wurde somit eine Art kleinster gemeinsamer Nenner geschaffen, der damit als erreichbares Ziel direkt in die Umsetzung gehen kann. Wie weit man jetzt über EU-Europa aus hinaus die gesamte Lieferkette durchblicken kann, wird sich noch zeigen. Klar ist, dass spannende neue Themenfelder sowohl für die Rechtsanwendung wie die Rechtsberatung eröffnet werden.
Was sind die Grundlagen, was wird geschützt, für welche Unternehmen ist dies relevant?
Geschützt werden Menschenrechte ebenso wie die Umwelt. Dies umfasst einen umfassenden Katalog an unter anderem zu schützenden Menschenrechten, wobei hier nicht bloß grobe Standards wie z.B. ein Verbot von Kinderarbeit oder (de facto) Sklaverei , sondern auch ausdrücklich “weitreichende” Standards wie gerechte Arbeitsbedingungen, Gesundheitsbedingungen, oder auch Versammlungs- oder Gewerkschaftsfreiheit garantiert werden müssen. Beim Schutz der Umwelt wird neben CO2-Reduktion auch eine Vielzahl an Umweltbeeinträchtigungen, wie etwa Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, Emissionen, Landschädigung geschützt.
Auch wenn gegenüber der ursprünglicher Fassung etwa 70 % weniger Unternehmen von der Richtlinie umfasst werden, sind auch gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht nur in der Bau- sondern zum Beispiel auch in der Automobilzuliefererindustrie zumindest mittelbar betroffen, wenn sie erfasste Unternehmen beliefern. Gelten wird die Richtlinie (schrittweise Eröffnung des Anwendungsbereichs in den 5 Jahren nach dem Inkrafttreten) für schlussendlich Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro.
Für Konzern- bzw. Holdingstrukturen sind eigens spezifizierende Regelungen vorgesehen. Von der Richtlinie umfasst ist insgesamt nicht die, wie der Wortlaut vermuten ließe, Lieferkette sondern die eigens definierte “Aktivitätskette”. Gegenstand der Betrachtung sind also sowohl vor- als auch nachgelagerte Aktivitäten bzw. Geschäftspartner wie Vertrieb, Beförderung und Lagerung.
Was ist zu tun, wenn in der Lieferkette etwas auffällt oder passiert?
Durch die sich aus der Richtlinie ergebenden Sorgfalts- also Due-Diligence-Pflichten ergibt sich großer Handlungsbedarf für die umfassten Unternehmen. Es ist eine weitreichende Due-Diligence-Policy in unter anderem die Unternehmensrichtlinien einzuarbeiten. Die auferlegten Sorgfaltspflichten beinhalten jedoch nicht nur die Erstellung von Leitlinien und Codizes. Anhand dieser Policy ist ein System zur risikobasierten Überprüfung entlang der Aktivitätskette einzurichten. Präventionsaktions-, Korrekturmaßnahmen- und Kommunikationspläne sind bereitzuhalten und gegebenenfalls sind Maßnahmen umzusetzen. Praktisch gesagt geht es aktuell des Weiteren wohl darum, einen Code of Conduct nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei den Geschäftspartnern zu implementieren und für dessen Einhaltung zu sorgen. Auch von den Geschäftspartner reicht es nicht, nur eine einfache Zusage betreffend die Einhaltung aller Standards einzuholen, sondern dies muss auch geprüft und auditiert werden. Dabei sind Unterstützungsverpflichtungen zu Gunsten von KMUs vorgesehen, um deren Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
Die Idee der EU-Kommission ist es, dass man zusammenarbeitet, was zum Beispiel in Form von Stakeholderinitiativen geschehen kann. Einen Anhang zum Jahresabschluss machen große Unternehmen ohnehin schon, viele sind in diesem Zusammenhang ebenfalls bereits CSRD-berichtspflichtig, sind demnach also jetzt schon zur Erstellung von entsprechenden Nachhaltigkeitsberichten verpflichtet. Diese Berichtspflicht wird nun um die Berichtspflichten aus der CSDDD erweitert. Bald muss also auch unter anderem auch kommuniziert werden, was in der Aktivitätskette, also bei sich selbst aber auch bei Geschäftspartnern, passiert, konkret welche Verstöße vorliegen, und welche Maßnahmen dagegen ergriffen wurden.
Insgesamt bedeutet das, dass das Verpflichtungs- bzw. Regelwerk der CSDDD für viele Unternehmen die Verpflichtung mit sich bringt, nicht nur weitreichende Veränderung innerhalb der eigenen Unternehmens-Policy vorzunehmen sondern eben auch bestehende Verträge zu überarbeiten, um beispielsweise das Recht einer Werksbesichtigung oder eines Audits bereits vertraglich zu verankern.
Die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen bei Nicht-Nachkommen der Pflichten zur Vermeidung, Beseitigung oder auch Minderung der definierten nachteiligen Auswirkungen gilt es neben den Sanktionen bzw. Geldbußen der Aufsichtsbehörden, welche bis zu 5% des weltweiten Netto-Jahresumsatzes betragen können, nicht außer Acht zu lassen.
Wir stehen allerdings diesbezüglich ganz am Anfang und es wird noch einiges auf uns zukommen.