Gemäß § 1 Abs 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) haftet die Republik Österreich für von ihren Organen rechtswidrig und schuldhaft verursachte Schäden. Haftet also die Republik Österreich für Schäden, die Bankkunden aus Aufsichtsfehlern der Finanzmarktaufsicht (FMA) erlitten haben?
Der erste Senat des OGH hat diese Frage in den vergangenen Monaten dreimal verneint (OGH 12. 10. 2022, 1 Ob 140/22b; OGH 12. 10. 2022, 1 Ob 104/22h; OGH 14. 7. 2022, 1 Ob 91/22x). Seine Begründung: § 3 Abs 1 Satz 1 des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes (FMABG) anerkennt die Haftung des Bundes für von der FMA verursachte Schäden. Doch schränkt Satz 2 den Kreis der möglichen Anspruchsberechtigten auf solche Personen ein, die der Aufsicht der FMA unterliegen.
Mit anderen Worten: Wer einen Schaden aus einem Aufsichtsfehler der FMA erleidet, ohne ihrer Aufsicht zu unterliegen, erhält vom Bund keinen Ersatz. Bankkunden unterliegen nicht der Aufsicht der FMA. Daher hat der Bund für Schäden, welche Bankkunden aus Aufsichtsfehlern der FMA erleiden, nicht einzustehen (OGH 14. 7. 2022, 1 Ob 91/22x). Das gilt für alle Schäden, die nach Inkrafttreten des heutigen § 3 Abs 1 Satz 2 FMAG eingetreten sind, selbst wenn sich die ursächlichen Aufsichtsfehler davor ereignet haben (OGH 12. 10. 2022, 1 Ob 104/22h). Der Grad des der FMA anzulastenden Verschuldens spielt bei alldem keine Rolle und unionsrechtliche Bedenken gegen § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG bestehen nicht (OGH 12. 10. 2022, 1 Ob 140/22b). Verfassungsrechtliche Bedenken wurden bereits im Vorjahr ausgeräumt (VfGH 16. 12. 2021, G 224/2021).
Zusammengefasst: Die Republik Österreich haftet nicht für Schäden, die Bankkunden aus Aufsichtsfehlern der FMA erleiden. Das folgt aus dem verfassungsrechtlich wie unionsrechtlich unbedenklichen § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und gilt unabhängig vom Grad des der FMA anzulastenden Verschuldens.
Im Übrigen: Zwar ist § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG bloß auf Schäden anwendbar, die seit seinem Inkrafttreten im Jahr 2008 (BGBl I 2008/136) entstanden sind, doch ist der Ersatz von davor entstandenen Schäden nicht mehr durchsetzbar. Denn Amtshaftungsansprüche verjähren spätestens zehn Jahre nach Schadenseintritt (§ 6 Abs 1 AHG).
Zuletzt aktualisiert: 28.11.2022