Höchste in Österreich je verhängte Geldbuße – EUR 70 Mio. für Verstoß gegen das Vollzugsverbot

Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat in einer für die zukünftige Geldbußenpraxis in Österreich wegweisenden Entscheidung eine vom Kartellgericht festgesetzte Geldbuße von EUR 1,5 Mio. auf EUR 70 Mio. erhöht. Hintergrund ist die verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses (OGH 28.01.2025, 16 Ok 5/24g).

Was war passiert?

Der Entscheidung liegt der Abschluss eines Pachtvertrages über Verkaufsflächen in einem Einkaufszentrum im Jahr 2018 zugrunde. Bevor im Frühjahr 2019 der Betrieb der neuen Filiale aufgenommen wurde, wurde das Einkaufszentrum vom neuen Eigentümer für 11 Monate geschlossen und saniert. Das Vorhaben wurde nicht bei der Bundeswettbewerbsbehörde (“BWB“) angemeldet.

Die BWB brachte im Oktober 2021 einen Abstellungsantrag und einen Antrag auf Verhängung einer angemessenen Geldbuße wegen Verstoß gegen das Durchführungsverbot beim Kartellgericht (“KG“) ein. Mit Beschluss vom 15.05.2023 bestätigte das KG das Vorliegen eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses, verhängte jedoch keine Geldbuße aufgrund mangelnder Strafwürdigkeit. Die BWB und der Bundeskartellanwalt erhoben jeweils Rekurs beim Kartellobergericht (“KOG“) gegen diese Entscheidung.

Ende 2023 bestätigte das KOG das Vorliegen eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses und trug dem KG die Festsetzung einer Geldbuße in “spürbarer” Höhe auf. Die im Verfahren geltend gemachten Argumente (ua), dass aufgrund der 11-monatigen Schließung des Einkaufszentrums kein “Kundenstamm” übernommen wurde, vermochte das KOG nicht zu überzeugen. Das KOG hielt fest, dass der Erwerb eines bloßen Bestandrechts nicht der Erfüllung des Zusammenschlusstatbestands des § 7 Abs 1 Z 1 KartG entgegensteht. In der Übernahme eines in mehrfacher Hinsicht bekannten Standorts sei der Erwerb eines die Dauer der Schließung überdauernden Aktivvermögens zu sehen, der den Eintritt in die Marktposition des zuvor betriebenen Lebensmitteleinzelhandels ermöglichte (OGH, 30.11.2023, 16Ok4/23h).

Im zweiten Rechtsgang verhängte das KG im Frühjahr 2024 eine Geldbuße von EUR 1,5 Mio. Dagegen erhoben die BWB und der Bundeskartellanwalt neuerlich Rekurs.

Zur Entscheidung

Mit der Entscheidung verhängte das KOG infolge der Rekurse der BWB und des Bundekartellanwalts eine Geldbuße iHv EUR 70 Mio.

Das KOG verweist bei seiner Geldbußenbemessung darauf, dass Geldbußen nach dem KartG präventive und repressive Zwecke verfolgen, was eine angemessene Höhe erfordere, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt werden würde.

Bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigte das KOG vor allem erschwerend (i) die Dauer der Zuwiderhandlung, (ii) die hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin, (iii) die hohen Marktanteile der beteiligten Unternehmen und mildernd (i) das Nichtvorliegen einer Bereicherung, (ii) den geringen Umfang des räumlich betroffenen Marktes, (iii) den (bloßen) Verstoß gegen das Durchführungsverbot ohne Erfüllung eines Untersagungstatbestands und (iv) den Beitrag der Antragsgegnerin zur Aufklärung des Sachverhalts.

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Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung reiht sich in eine von mehreren Entscheidungen des KOG in den letzten Jahren in denen die abschreckende Wirkung von spürbaren Geldbußen betont wird (ua 16 Ok 2/22p, 16 Ok 6/23b, 16 Ok 4/24k). So wurde erst im Herbst letzten Jahres eine “symbolische” Geldbuße iHv EUR 5.000 wegen Verstoß gegen das Durchführungsverbot trotz (sehr) geringfügigem Schweregrad auf EUR 100.000 erhöht (16 Ok 4/24k). Im Lichte der bisherigen Geldbußenpraxis der österreichischen Behörden erscheint die gegenständliche Geldbuße von EUR 70 Mio. unter Berücksichtigung der Umstände des zugrundeliegenden Sachverhalts aber unverhältnismäßig hoch. Die in diesem Ausmaß nicht zu erwartende Höhe der Geldbuße wird besonders deutlich, wenn man diese Geldbuße etwa mit denen zuletzt im Rahmen des Baukartelles verhängten Geldbußen vergleicht. Aus Beratersicht ist vor diesem Hintergrund vor allem zu beanstanden, dass in Österreich weiterhin weder gesetzliche Regelungen oder Leitlinien zur Berechnung von Geldbußen bestehen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Ungeachtet dessen zeigt die Entscheidung des KOG, dass Verstöße gegen das Durchführungsverbot verfolgt und streng geahndet werden. Unternehmen, die sich nicht an die kartellrechtlichen Vorschriften halten, müssen mit hohen Strafen rechnen. Unternehmen sind daher noch mehr als bisher aufgerufen fusionskontrollrechtliche Anmeldepflichten im Detail zu prüfen.