A erteilt seinem Bruder B eine unbeschränkte Generalvollmacht. Beispielhaft zählt diese auf, B könne im Namen von A insbesondere bürgen, Darlehen aufnehmen und dessen Sachen verschenken oder entgeltlich veräußern. Doch macht B von seiner Vollmacht kreativeren Gebrauch als A es vorhergesehen haben dürfte: Um den Kredit eines Dritten (D) zu besichern, verpfändet B kurzerhand eine A gehörende Liegenschaft. D zahlt den Kredit nicht zurück. Nun fordert der Kreditgeber die aushaftende Summe von A, bei sonstiger Exekution in dessen Liegenschaft.
A wendet ein, die Vollmacht habe eine Verpfändung seiner Liegenschaft nicht gedeckt. Es wäre vielmehr eine das Geschäft genau beschreibende Vollmacht (eine sogenannte “Spezialvollmacht”) erforderlich gewesen. Der OGH ist diesem Einwand in seinem Beschluss zum Aktenzeichen 4 Ob 92/22s nicht gefolgt.
Die Begründung (zu ihr kritisch P. Bydlinski, EvBl 2023/79): Um in fremdem Namen bürgen zu können, genüge analog § 1008 Satz 1 ABGB eine Gattungsvollmacht. Die Vollmacht müsse also keinerlei Details der Bürgschaft regeln. Es genüge vielmehr, wenn in der Vollmacht die Geschäftsart (= Gattung) “Übernahme einer Bürgschaft” zum Ausdruck kommt. Das müsse, um den Rechtsverkehr nicht zu belasten, sinngemäß für andere Sicherungsgeschäfte gelten. Daher genüge Gattungsvollmacht auch, um eine fremde Sache zum Nutzen eines Dritten zu verpfänden. Eine entsprechende Vollmacht habe A dem B erteilt. Denn die Vollmacht, Sachen zu veräußern (Geschäftsart: “Veräußerung”), begreife als gelinderes Mittel in sich, Sachen zu verpfänden (Geschäftsart: “Verpfändung”).
Für die Kreditwirtschaft ist dieses Ergebnis durchwegs erfreulich: Wer eine fremde Liegenschaft als Pfand bestellen möchte, um den Kredit eines Dritten zu besichern, braucht hierfür nichts weiter als eine auf das Veräußern fremder Sachen lautende Vollmacht. Wichtig jedoch: Einverleibungsfähig ist eine Gattungsvollmacht nur, falls sie Vorsorgevollmacht, gewählte Erwachsenenvertretung oder im Zeitpunkt des Einverleibungsgesuches nicht älter als drei Jahre ist (§ 32 Abs 6 GBG). Andernfalls ist sehr wohl Spezialvollmacht erforderlich, um ein Pfandrecht an der Liegenschaft erwerben zu können. Weiters zu beachten: Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte können in der Regel keine Liegenschaften verpfänden (§ 49 Abs 2, § 54 Abs 2 UGB).
Zuletzt aktualisiert: 03.05.2023