Die Gleichstellung der Entlohnung für Frauen und Männer ist ein Ziel, das seit Jahrzehnten verfolgt wird. Bereits 1957 wurde dieses Prinzip auf europäischer Ebene im Primärrecht verankert. In Österreich bildet seit 1979 das Gleichbehandlungsgesetz die rechtliche Grundlage für gleiche Entlohnung. Dennoch zeigen zahlreiche Studien, dass die Umsetzung in der Praxis weiterhin unzureichend ist.
Mit der Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970 vom 10. Mai 2023, im Folgenden „Richtlinie“) zur Schließung des Gender-Pay-Gap. Auch wenn die Umsetzungsfrist bis zum 7. Juni 2026 läuft, besteht für Arbeitgeber bereits jetzt Handlungsbedarf.
Anforderungen an richtlinienkonforme Vergütungsstrukturen
Die Richtlinie verpflichtet Arbeitgeber, Vergütungsstrukturen zu schaffen, die unabhängig vom Geschlecht gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit garantieren. Laut Artikel 4 müssen diese Strukturen objektiv, geschlechtsneutral und – sofern vorhanden – mit dem Betriebsrat abgestimmt sein. Ziel ist es, die Vergleichbarkeit von Arbeitssituationen sicherzustellen und systematische Benachteiligungen zu verhindern.
Zu den ausdrücklich genannten Differenzierungskriterien zählen Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung sowie Arbeitsbedingungen. Ergänzend nennen die Erwägungsgründe der Richtlinie spezifisch berufliche Anforderungen sowie Qualifikationen im Bereich der Aus- und Weiterbildung.
Berichtspflichten: Ein Instrument für mehr Transparenz
Neu für Österreich ist, dass die Richtlinie nicht nur die Offenlegung diverser Zahlen vorschreibt, sondern auch eine allgemeine Erklärung darüber verlangt, wie die Vergütungsstruktur im Unternehmen organisiert ist (Stichwort Vergütungspolitik). Ähnliche Regelungen gibt es bereits im Bankensektor, wo Unternehmen bereits seit einigen Jahren Vergütungs- und Beschäftigungsbedingungen von Vorstand und Aufsichtsrat veröffentlichen.
Arbeitgeber sind verpflichtet, regelmäßig Berichte über Vergütungsstrukturen zu erstellen und zugänglich zu machen. In Österreich könnte dies der Gleichbehandlungsanwaltschaft obliegen. Die Berichtspflichten gelten ab 7. Juni 2027 gestaffelt nach Unternehmensgröße: Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmern müssen jährlich Berichte vorlegen, während kleinere Unternehmen von dieser Pflicht teilweise ausgenommen sind – es sei denn, nationale Gesetzgeber regeln dies anders.
Die Berichte umfassen umfangreiche Daten, darunter das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle, variable Vergütungsbestandteile sowie Verteilungen innerhalb der Entgeltquartile. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen und Ungleichheiten zu überwachen. Ein zentraler Unterschied zu bisherigen Einkommensberichten liegt in der verpflichtenden Übermittlung und Veröffentlichung der Daten durch eine nationale Überwachungsstelle, was die Bedeutung einer rechtzeitigen Implementierung geschlechtsneutraler Vergütungssysteme unterstreicht.
Gemeinsame Entgeltbewertung
Ein zentrales Element der Richtlinie ist die Einbindung des Betriebsrats in die sogenannte „Gemeinsame Entgeltbewertung“. Diese wird erforderlich, wenn der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Entgelten – etwa beim Jahresbruttoentgelt oder Bruttostundenentgelt – von Frauen und Männern innerhalb einer vergleichbaren Arbeitnehmergruppe, die gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten ausübt, mindestens 5 Prozent beträgt. Können solche Unterschiede nicht objektiv und geschlechtsneutral begründet werden und innerhalb von sechs Monaten behoben werden, ist eine umfassende Bewertung in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erforderlich.
In Österreich bleibt die konkrete Umsetzung abzuwarten, da der Betriebsrat bislang nur eingeschränkte Mitspracherechte bei der Entgeltgestaltung hat. Es ist jedoch zu erwarten, dass der Betriebsrat künftig eine stärkere Rolle bei der Überprüfung und Anpassung von Vergütungsstrukturen einnehmen wird.
Schadensersatzanspruch und rechtliche Geltendmachung
Arbeitnehmer, die durch unsachliche Entgeltdifferenzen benachteiligt wurden, sollen durch Schadensersatzansprüche so gestellt werden, als hätte die Benachteiligung nicht stattgefunden. Dies umfasst die Nachzahlung sämtlicher entgangener Vergütungsbestandteile, einschließlich Boni.
Hierbei genügt es, dass der betroffene Arbeitnehmer Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Die Beweislast liegt anschließend beim Arbeitgeber, der nachweisen muss, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat. Die Richtlinie erleichtert die Durchsetzung solcher Ansprüche durch die Einführung von Verbandsklagen. Diese ermöglichen es Organisationen, Ansprüche von Betroffenen gesammelt vor Gericht zu bringen, was den Zugang zu rechtlicher Unterstützung erheblich vereinfacht.
Fazit: Zeit zum Handeln
Auch wenn die Frist zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie auf den ersten Blick noch weit entfernt erscheint, sollten Arbeitgeber die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Proaktives Handeln ist gefragt.
Der erste Schritt sollte eine gründliche Überprüfung der bestehenden Vergütungsstrukturen im Rahmen einer „Due Diligence“ sein, um mögliche Ungleichheiten und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen ist es notwendig, ein neues Vergütungssystem zu entwickeln oder die bestehenden Strukturen so anzupassen, dass sie den künftigen gesetzlichen Vorgaben vollständig entsprechen. Nur durch rechtzeitige Maßnahmen können Unternehmen die Anforderungen der Richtlinie fristgerecht und effizient umsetzen.