Beitrag von Mag. Jasmin Pieper, B.A.
Immer wieder sorgen große Unternehmen wie Amazon, Daimler oder Grohe für Schlagzeilen, indem sie ihre Mitarbeiter dafür belohnen, wenn diese besonders wenig oder gar keine Fehlzeiten aufweisen. Auch Tesla möchte zukünftig seinen Mitarbeitern eine solche Prämie in Höhe von 1000 € pro Jahr in Aussicht stellen. Während dies in Deutschland grundsätzlich möglich ist und mit der Selbstverantwortung des Arbeitnehmers begründet wird, ist die Rechtslage in Österreich eine andere.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des OGH sind sog. Anwesenheitsprämien unzulässig. Dabei wird in der Regel vereinbart, dass Arbeitnehmer eine Entgelteinbuße insofern in Kauf nehmen, als sie eine Leistung in voller Höhe nur dann erhalten, wenn sie während eines bestimmten Zeitraums tatsächlich und ununterbrochen gearbeitet haben. Der OGH bezog hierzu klar Stellung, dass den Arbeitnehmern ihre Gesundheit nicht abgekauft werden dürfe und sie nicht veranlasst werden sollen, “aus finanziellen Gründen mit [ihrer] Gesundheit Raubbau zu treiben”. Zudem könnte eine solche Praxis auch langfristige Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben, wenn Arbeitnehmer aufgrund des gefährdenden Umgangs mit ihrer Gesundheit erwerbsunfähig werden und somit dauerhaft aus Mitteln der Versichertengemeinschaft versorgt werden müssten.
Auch stehen zwingende gesetzliche Regelungen der Vereinbarung einer Anwesenheitsprämie entgegen. Gem § 8 Abs 1 AngG bzw § 2 EFZG haben Arbeitnehmer, die durch Krankheit oder Unglücksfall an der Arbeitsleistung verhindert sind, Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Hiervon darf weder durch Einzelvereinbarung noch Betriebsvereinbarung oder Kollektivvertrag abgewichen werden. Auch die Umgehung dieser Vorschriften durch Gewährung einer Anwesenheitsprämie oder Betonung der Freiwilligkeit dieser Leistung ist unzulässig. Ebenso ist die Bezeichnung der Prämie irrelevant. So wurden bspw Anwesenheitsprämien, die als “Zielerreichungsprämie”, “freiwillige Abfertigung im Sozialplan”, “Schichtzulage”, “Druckwerkszulage” oder “Umsatzprovision” betitelt wurden, de facto aber nur zur (vollen) Auszahlung gelangten, wenn die Arbeitnehmer kaum oder gar keine Fehlzeiten aufwiesen, als unzulässig qualifiziert.
Während bereits die Unabdingbarkeit der Bestimmungen des AngG und EFZG ausreicht, um die Unzulässigkeit von Anwesenheitsprämien zu begründen, liegt überdies ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Hiernach sind Arbeitgeber verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht ohne sachliche Rechtfertigung schlechter zu behandeln als die übrigen. Die Differenzierung nach Fehlzeiten sei jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, verstoße gegen die guten Sitten und stehe im Widerspruch zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet den Arbeitgeber zum finanziellen Ausgleich, sodass betroffene Arbeitnehmer Ansprüche auf die Prämiendifferenz geltend machen können.
Für Arbeitgeber ist insbesondere die Rechtsfolge solcher unzulässigen Anwesenheitsprämien von Bedeutung. Denn diese führen nur zur Teilnichtigkeit der Klausel, sprich die Anwesenheitsprämie wird unwirksam, die Prämienzusage bleibt aber wirksam, sodass auch Arbeitnehmer mit (hohen) Fehlzeiten Anspruch auf Auszahlung der Prämie haben.
Unter Umständen besteht die Möglichkeit, Prämien zu vereinbaren, die vom Anwesenheitsgrad aller Arbeitnehmer oder einer größeren Gruppe innerhalb eines längeren Zeitraums abhängig gemacht werden, wobei übliche und unschädliche Krankenstände für die Ausschüttung an die einzelnen Arbeitnehmer unbeachtlich sein sollen. Hier besteht jedoch aufgrund fehlender Judikatur Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Zulässigkeit solcher Klauseln. Daher empfiehlt es sich, zumindest auch einen Unverbindlichkeitsvorbehalt in solchen Vereinbarungen aufzunehmen.