Zahlen Verbraucher:innen einen Kredit vorzeitig zurück, haben sie Anspruch auf verhältnismäßige Minderung aller ihnen kreditvertraglich auferlegten Kosten. Darunter fallen neben laufzeitabhängigen auch laufzeitunabhängige Kosten. Das folgt aus Artikel 16 Absatz 1 der Verbraucherkreditrichtlinie (RL 2008/48/EG), erläuterte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache Lexitor (C‑383/18, Rn 31-34).
Nahezu wortgleich mit Artikel 16 Absatz 1 der Verbraucherkreditrichtlinie ist Artikel 25 Absatz 1 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (RL 2014/17/EU). Besteht also auch hier ein Anspruch auf Minderung laufzeitunabhängiger Kosten? Nein, stellte der EuGH am vergangenen Donnerstag klar (C‑555/21, Rn 26-39).
Die Begründung des EuGH: Artikel 16 Absatz 1 der Verbraucherkreditrichtlinie ist auf laufzeitunabhängige Kosten zu erstrecken, weil sonst die Gefahr besteht, dass Kreditgeber:innen laufzeitabhängige Kosten minimieren und stattdessen möglichst hohe laufzeitunabhängige verrechnen. Bei Artikel 25 Absatz 1 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie besteht diese Gefahr jedoch nicht. Denn anders als die Verbraucherkreditrichtlinie verpflichtet die Wohnimmobilienkreditrichtlinie Kreditgeber:innen dazu, Kreditkosten in europaweit standardisierten Merkblättern (‘ESIS-Merkblätter’) aufzuschlüsseln. Diese Merkblätter sind interessierten Kreditnehmer:innen vor Vertragsabschluss zu übergeben. So ist leicht feststellbar, ob eine Kostenposition laufzeitabhängig oder -unabhängig ist. Mangels der Lexitor zugrundeliegenden Missbrauchsgefahr ist daher nicht gerechtfertigt, Artikel 25 Absatz 1 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf laufzeitunabhängige Kosten zu erstrecken.
Anlass für die Entscheidung war der Vorlageantrag des OGH zum Verfahren 5 Ob 66/21y. Der OGH hat dieses nun zu Ende zu führen. Wir erwarten sein Urteil mit Spannung und werden darüber berichten.
Zuletzt aktualisiert: 14.02.2023